Workshop
Einkleidung der heiligen Schrift
eikones Forum
Bereits der frühe Islam rechnete die Anhänger des Christentums zu den ahl al-kitab, den «Leuten des Buchs». Und dies zu Recht: Im Zentrum christlichen Schriftgebrauchs standen die heiligen Bücher, in denen die göttliche Offenbarung aufgezeichnet war und liturgische Texte aufgeschrieben standen. Keineswegs ging es dabei nur um die Autorität eines kanonischen Wortlauts: Was als heilig galt, bedurfte der performativen Aktivierung im Ritus und der künstlerischen Überformung des materialen Schriftträgers. Erst die künstlerische Ausgestaltung einzelner Seiten und ganzer Buchhüllen machte den kanonischen Text zum heiligen Objekt. Jenseits der klassischen Opposition von Schrift und Bild entwickelten christliche Gesellschaften des Mittelalters anspruchsvolle künstlerische Praktiken, heiligen Büchern den gebührenden «Ornat» zu verleihen.
Ziel des Workshops ist es, das historische Konzept des «Ornats» mit dem modernen, kunstwissenschaftlichen Diskurs des «Ornamentalen» zu verknüpfen. Ein Schlüsselkonzept hierfür ist die Metapher des Einkleidens der heiligen Schrift. In Texten der Zeit wird der Schmuck des Buches immer wieder als Kleidung beschrieben, die der Schrift umgelegt wird. Schon in der Spätantike war es eine kontrovers diskutierte Frage, ob Abschriften des Buchs der Bücher eher «nackt» belassen oder in ein repräsentatives «Gewand» gehüllt werden sollten. Ausgehend von dieser Denkfigur soll der Workshop die Gelegenheit bieten, Praktiken des Ornats heiliger Schriften in unterschiedlichen Buchkulturen des Mittelalters zu diskutieren.
Programm
Donnerstag, 6. Dezember 2012
14.00 – 14.30 | Begrüssung und Einführung: Barbara Schellewald und David Ganz |
Moderation: Sophie Schweinfurth | |
14.30 – 15.30 | Andrea von Hülsen-Esch (Düsseldorf): Materialität der Kleider der heiligen Schrift |
15.30 – 16.30 | Susannah Fischer (New York): «The Lust of the Eyes»: The Role of Material Splendor in the Reception of Ottonian Liturgical Manuscripts |
16.30 – 17.00 | Kaffeepause |
Moderation: Barbara Schellewald | |
17.00 – 18.00 | Karin Krause (Basel): Schmuck für heilige Schriften. Buchepigramme in Byzanz |
18.00 – 19.00 | Kristin Böse (Köln): Der Codex im Gespräch. Ornament, Buchkörper und Textverständnis in nordspanischen Handschriften des 10. Jahrhunderts |
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Moderation: Silke Tammen | |
09.30 – 10.30 | Tobias Frese (Heidelberg): Verbergen und Enthüllen. Überlegungen zu den Schriftzierseiten im Guntbald-Evangeliar |
10.30 – 11.30 | Vera Beyer (Berlin): Zelt des Allerheiligsten, Kragen der Natur. Zum Verhältnis von Ornat und Ornamentalität in persischen und nordalpinen Darstellungen des Vorhangs vor dem Thron Gottes |
11.30 – 12.00 | Kaffeepause |
Moderation: David Ganz | |
12.00 – 13.00 | Gia Toussaint (Hamburg): Elfenbein an der Schwelle. Einband und Codex im Dialog |
13.00 – 14.30 | Mittagspause |
Moderation: David Ganz | |
14.30 – 15.30 | Thomas Rainer (München): Zwischen Figur und Ornament: Corpus Domini inter textum evangeliorum – der Einband des Evangelienbuchs als Grabtuch Christi |
15.30 – 16.00 | Schlussdiskussion |
Konzept: Barbara Schellewald, David Ganz
Referierende: Vera Beyer, Barbara Schellewald, Sophie Schweinfurth, Andrea von Hülsen-Esch, Susannah Fischer, Karin Krause, Kristin Böse, Silke Tammen, Tobias Frese, Gia Toussaint, David Ganz, Thomas Rainer.
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